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Markus Gerwinski: Blog

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Eat, read, love - vom literarisch/leiblichen Wohl für die Seele

15.11.2017 18:45

Was also haben Bücher mit Essen zu tun? Erstaunlich viel, selbst wenn es sich nicht gerade um Kochbücher handelt. Schon in meiner Jugend gehörte es für mich zum Leseritual, mein Buch über einer Schüssel mit Knabberkram zu öffnen. So konnte in meiner Phantasie leicht aus der Tüte Chips das üppige Mahl werden, das sich die adlige Familie an ihrer Tafel gönnte, ebensogut aber die karge Ration, die der Astronaut einsam in seiner Kapsel zu sich nahm. Du bist, was du isst und du isst, was du liest.

Auch hat das Lesen oft meine Essgewohnheiten beeinflusst und meinen Speiseplan bereichert. So konnte ich Kartoffelpuffer eigentlich nicht leiden, bis ich in Remarques Im Westen nichts Neues gelesen hatte, welchen Genuss diese einfache Mahlzeit bedeuten kann, wenn man sie mitten im feindlichen Trommelfeuer als Abwechslung von den Feldrationen zu sich nimmt. Asimovs Schilderung der Großküchen in seinen Stahlhöhlen bereitete mich bestmöglich darauf vor, die Mensa der Uni Essen gemütlich bis heimelig zu finden. Und nach der Lektüre von Sambre, Band 2 gehörte es für mich eine Zeit lang fest zu jeder Mahlzeit dazu, sie mit einem Apfel abzuschließen. Mich mit den Personen in einer Geschichte zu identifizieren, ging oft so weit, dass ich sogar das Gleiche essen wollte wie sie.

Wie aber sieht es mit dem Essen in meinen eigenen Romanen aus? Als meine liebe Autorenkollegin Larissa Schwarz mich nominierte, ein Rezept aus einem meiner Bücher online zu stellen, sah die Sache zuerst ganz leicht aus. In meinen Romanen wird (wie im richtigen Leben) gelegentlich gegessen und naiverweise sollte man annehmen, dass das beste Essen in den angenehmsten Szenen gereicht wird; nicht wahr?

Das war die Gelegenheit, bei der mir erstmals eine Eigenheit meines Schreibstils auffiel: So etwas wie eine Szene der "reinen Sinnlichkeit", in der die Hauptperson ihr Love Interest mit einem köstlichen Mahl auf andere Köstlichkeiten einstimmt und der Fokus langsam von ausgiebigen Beschreibungen des Essens zu Zärtlichkeiten wechselt, gibt es bei mir gar nicht. Jede Mahlzeit, egal wie ausführlich ich als Autor darauf eingehe, dient allein als Hintergrund zur Plotentwicklung. Oft stellt das Essen sogar einen Kontrast zur Stimmung der Szene dar: Das fürstliche Festmahl bleibt meinen Helden angesichts der unangenehmen Gesellschaft im Halse stecken, die einfache Marschverpflegung jedoch gewinnt an Köstlichkeit angesichts überstandener Gefahren und Krisen.

Ich habe in meinen Büchern lange nach einem Textabschnitt gesucht, der es mir erlaubt, über ein leckeres Essen zu schreiben, ohne dem Leser gleich den Appetit zu verderben. Letzten Endes habe ich mich für eine Szene über ein opulentes Frühstück entschieden. Abgesehen davon, dass es darin recht heiter zugeht, erspart mir (und euch) diese Wahl ein Rezept aus meinem Fundus. Denn ganz unter uns: Meine Küchenfertigkeiten sind zwar vorhanden, aber bescheiden.

In diesem Sinne: Viel Vergnügen beim nachfolgenden

Textauszug aus Falkenflug 2: Die drei Amulette

"Die Botschaft haben wir überbracht", sagte er, während er mit dem Rasiermesser plätschernd in der Schüssel rührte, um es vom Schaum zu befreien. "Jetzt müssen wir so schnell wie möglich nach Kaskur." Er legte das Messer beiseite und schöpfte mit beiden Händen Wasser, um sich das Gesicht zu säubern.

Sie gähnte. "Kaskur wird auch noch stehen, wenn wir uns endlich einmal einen Tag Rast gönnen."

"Bist du sicher?"

Seine ernste Stimme ließ sie aufhorchen und lenkte sie sogar vom Anblick seiner strammen Gesäßbacken ab. "Was meinst du?"

Er griff nach dem Krug mit Seife, der neben der Schüssel bereitstand, und schüttete sich etwas von der zähen, weißen Flüssigkeit in die hohle Hand. "Palder ist dorthin unterwegs", sprach er mit grimmigem Unterton, während er sich einseifte. "Und du hast gehört, was Jolf erzählt hat, er dient dem Hauptmann der Nachschubtruppe als Leutnant. Ein Verräter in einer hohen Position kann eine Festung schneller zu Fall bringen als hundert Katapulte."

Sie fuhr sich mit der Hand durch das vom Schlaf noch wirre Haar. "Ragald, ich glaube eher, dass er kräftig fluchen wird, dass er so weit vom Geschehen wegkommandiert wurde." Als er sie mit verständnislos herabgezogenen Augenbrauen ansah, fuhr sie fort: "Die Jattar stehen doch ohnehin schon mit ihrem Heer im Herzen des Königreiches. Warum sollten sie einen Verräter darauf ansetzen, ihnen eine Festung auszuliefern, die sie längst hinter sich gelassen haben?"

Kopfschüttelnd begann er, sich den Schaum vom Körper zu spülen. "Gunid, das haben sie nicht." Er tauchte einen Lappen ein und fuhr sich damit über die Brust. "Die Feste Kaskur ist der einzige Grund, warum wir uns im Moment in Land aufhalten, das immer noch von seiner Majestät beherrscht wird."

Ehe Gunid etwas darauf erwidern konnte, klopfte es. "Einen Moment!" Ragald hinterließ auf seinem Weg durch das Zimmer eine Tropfspur. Als er den Riegel zurückschob, wappnete sich Gunid gegen den Anblick eines der schweigsamen grauen Diener und war überrascht, hinter der sich öffnenden Tür stattdessen ein Wesen zu erblicken, das aussah, als hätte Xagadeos eine Maus auf die Maße eines Kindes vergrößert und in das Kleid einer Magd gesteckt. Vielleicht hatte er das ja.

[Illustration: Falkenflug 2, Kapitel 3]

Die Mäusemagd sank vor dem verdutzten Ragald, dem sie nicht ganz bis zur Brust reichte, in einen Knicks und trug ein Tablett herein, beladen mit einem Laib hellen Brotes, einer Vielzahl von Schalen und Schüsseln, zwei Bechern, einem Krug und einer dampfenden Kanne, aus der ein fremdartiger Duft aufstieg. Gunid sah ihr fasziniert zu, wie sie ihre Last abstellte und mit ihren rosigen Krallenhänden den Tisch zum Frühstück deckte. Auch ein Schälchen mit flauschigen, gelben Küken hatte sie dabei, mit dem sie sich Lifs Käfig näherte, den zu öffnen sie allerdings zögerte. Der Vogel betrachtete sie neugierig und als er ein kurzes Schnattern ausstieß, stellte sie das Futter hastig vor der Käfigtür auf den Boden und wich mit zitternden Schnurrhaaren einen Schritt zurück. Gunid verkniff sich ein Kichern.

Schnell hatte die Mäusemagd sich wieder gefasst, sah zwischen den beiden Menschen hin und her und sank schließlich erneut in einen Knicks. "Ich bin Ikuk", piepste sie, und Gunid blieb der Mund offenstehen darüber, dass dieses Wesen sprechen konnte. "Ich bitte die edlen Gäste, verschmutzte Kleidung in dem Korb neben der Tür bereitzulegen. Sie wird gewaschen werden, während Ihr mit Meister Xagadeos im Gespräch weilt. Er empfängt Euch nach dem Frühstück im Studierzimmer."

Ragald musterte sie belustigt, mit in die Hüften gestemmten Händen, und fragte: "Wo ist das?"

"Wenn Ihr soweit seid, läutet nach einem Diener." Die Maus deutete auf eine kleine Messingglocke, die an einem Haken neben dem Fenster hing. "Er wird Euch hinführen." Sie sah noch einmal von Ragald zu Gunid und warf einen gehetzten Blick auf Lif, ehe sie hinaushuschte. Kopfschüttelnd schloss Ragald die Tür hinter ihr und fuhr sich mit einer Hand durch die feuchten, schwarzen Locken. "Erst graue Gespenster, jetzt eine Riesenmaus. Ich frage mich, auf was für Ideen dieser Magier sonst noch kommt."

Der Duft des frischen Brotes lockte Gunid endgültig aus dem Bett und so schlug sie die Decken zurück und setzte sich ungekämmt und im Hemd, wie sie war, an den Tisch. Kurz darauf schwelgte sie in Brot mit Butter und Honig, Haferbrei mit frischen Früchten, hart gekochten Eiern und Milch. "Bei Vesas", kaute sie, "haben wir einen Feiertag verpasst, oder schlemmt Xagadeos immer so?"

Ragald erhob sich vor dem Käfig, in den er das Futter für Lif gestellt hatte, aus der Hocke und betrachtete nachdenklich die reich gedeckte Tafel, ehe er sich Gunid gegenüber niederließ. "Ich frage mich nur, wo er das alles herhat", murmelte er und griff nach der Obstschale. "Auf den Felsen da draußen gibt es doch nicht mal genug fruchtbare Erde für einen einzigen Pflaumenbaum."

Das dampfende Getränk in der Kanne stellte sich als bitter schmeckendes, schwarzes Gebräu heraus, von dem Gunid nur einen Schluck probierte, ehe sie beschloss, sich an die Milch zu halten. "Also schön, mein Großer", erinnerte sie sich bei ihrer zweiten Scheibe Brot, "du wolltest mir gerade erklären, was an Kaskur so wichtig ist."

Ragald hatte gerade von einem hart gekochten Ei abgebissen und brachte im ersten Anlauf nur unverständliche Laute zustande, über die sie beide lachen mussten. Nach all den Wochen der Entbehrungen erschien Gunid dieses fürstliche Mahl wie ein Traum, den sie genießen wollte, bevor er verflog. Sie tauchte den Blick in die blauen Augen ihres geliebten Freundes und wie vor ein paar Tagen, nachdem sie dem Moor entronnen waren, kam es ihr vor, als entdecke sie darin einen Widerschein ihrer Gefühle.

Der Moment verflog, als er den Blick in den Becher senkte, mit dessen Inhalt er den Bissen von dem Ei herunterspülte. "Kaskur beherbergt die königliche Flotte", erklärte er, als er das Gefäß wieder absetzte. "Von dort aus patrouillieren unsere Kriegsschiffe an der Küste entlang. Als die Jattar vor elf ... fast zwölf Jahren zum ersten Mal versucht haben zu landen, wurden sie von der Streitmacht aus Kaskur zurückgeschlagen."

Fast bereute es Gunid, dass sie dem Krieg erlaubt hatte, sich in ihr Gespräch zu mischen. Andererseits wollte sie verstehen, was ihren jungen Freund vorantrieb, dass er selbst an diesem Ort nur daran dachte, so schnell wie möglich weiterzureisen. Zudem war ihre Neugier geweckt.


... und deine Neugier? Wenn du wissen willst, wie Gunid und Ragald an diesen sonderbaren Ort gelangt sind und wie die Geschichte vom Falkenflug weitergeht, kannst du sie hier von Anfang an lesen:

[Falkenflug, Band 1: Die Hörige] [Falkenflug, Band 2: Die drei Amulette] [Falkenflug, Band 3: Die Herrin der Schatten]


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