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Der nachfolgende Text entstand ursprünglich von Oktober bis Dezember 2010 im Rahmen einer Diskussion im Tanelorn-Forum. Sogar vor diesem kritischen Publikum wurde er gut angenommen und sorgte für Erheiterung. Seitdem habe ich ihn online in verschiedenen Zusammenhängen zur Sprache gebracht, ehe ich ihm am 21.07.2016 auf dieser Website eine endgültige Heimat zugewiesen habe. In diesem Sinne: Herzlich willkommen bei Markus Gerwinskis ... Crash-Kurs zur RelativitätstheorieInhalt:
Teil 1: Wer kommt auf so was und warum?!Wir befinden uns im Jahr 1881. Es gilt als anerkannte physikalische Lehrmeinung, dass Licht eine mechanische Welle ist, die zur Ausbreitung ein Trägermedium braucht, den sogenannten "Äther". In Potsdam bastelt ein Physiker namens Albert Abraham Michelson an einem Experiment, um zu bestimmen, wie schnell sich die Erde relativ zum Äther bewegt. (Das grundsätzliche Konzept der Relativbewegung war zu dieser Zeit bereits etabliert und geht seinerseits auf Galilei zurück.) Zu diesem Zweck hat der freundliche Herr Michelson einen Versuchsaufbau ersonnen, in dem ein und derselbe Lichtstrahl zuerst in die eine Richtung abgestrahlt wird, dann reflektiert und mittels Spiegeln um 90° gedreht, um auch in dieser Richtung wieder gespiegelt zu werden. Auf diese Weise sollte das Licht mit sich selbst überlagert werden und (über Interferenzmuster) Aufschluss über die Differenz der Ausbreitungsgeschwindigkeiten des Lichts in beiden Richtungen geben. Wenn z.B. der erste Lichtstrahl "in Fahrtrichtung" der Erde durch den Äther abgegeben wurde, müssten logischerweise seine Wellen in dieser Richtung "gestaucht" werden, sodass das Licht kurzwelliger würde als "in Querrichtung". Klar soweit? Herr Michelson baute also seinen Versuchaufbau auf und maß. Und maß. Und maß. Ergebnis: Keine Geschwindigkeitsdifferenz. Das Licht breitete sich in allen Richtungen gleich schnell aus. 6 Jahre später kam ein Herr Morley, verfeinerte den Versuchsaufbau und versuchte es noch mal. Selbes Ergebnis. Die Lichtgeschwindigkeit war in allen Richtungen gleich. Immer. Überall. Dieses Ergebnis ließ nun mehrere mögliche Schlüsse zu. So zum Beispiel, dass die Erde tatsächlich im Äther ruhte. Das wäre darauf hinaus gelaufen, dass sich das komplette restliche Universum um die Erde dreht, Eigenrotation der Erde eingeschlossen. Natürlich schon eine hübsche Vorstellung, wenn man denn unbedingt im Mittelpunkt stehen will, aber irgendwo ein wenig ... anmaßend. Eine andere Theorie, die sich vorerst durchsetzte, lief darauf hinaus, dass jedes Objekt durch seine Eigenbewegung den Äther staucht und verzerrt, sodass eine Relativgeschwindigkeit nicht messbar wäre. Die hierfür erforderliche Mathematik wurde von einem Physiker namens Hendrik Antoon Lorentz ausgearbeitet, damals eine international anerkannte Kapazität. Lorentz stellte die Gleichungen der sogenannten Lorentz-Transformation auf, denen zufolge ein Objekt in seiner Bewegungsrichtung längenverkürzt wurde und die Zeit, die ein Lichtstrahl brauchte, gedehnt wurde. Die Längenverkürzung interpretierte Lorentz als mechanische Einwirkung des Äthers, die Zeitdehnung ... nun ja, er sagte einfach, es handele sich um eine "rein mathematische Zeit", drückte sich aber um eine Interpretation. Mathematisch war die Physik gerettet, vom Verständnis her allerdings blieb ein gewisses ... Unbehagen. Dieses hielt sich, bis im Jahr 1905 ein gewisser Albert Einstein auf den Plan trat, Physiker und Angestellter des Berner Patentamts. Dieser bis dato weitgehend unbekannte Herr Einstein wagte den einen Denkschritt weg von der menschlichen Anschauung, zu dem seine Zeitgenossen einfach nicht in der Lage gewesen waren, obwohl die Mathematik vor ihnen ausgebreitet lag: Er sagte, dass nicht etwa die Körper mechanisch gestaucht würden, sondern der Raum an sich. Die üblichen Längenskalen verlören in einem "bewegten Bezugssystem" ihre Bedeutung. Und die Zeit, die man zur Beschreibung von Bewegungen in einem solchen bewegten Bezugssystem brauchte, wäre keine "mathematische Zeit", sondern tatsächlich die Zeit an sich. Auf diesen Geistesblitz hin nahm sich Einstein einen Haufen Phänomene vor, die damals nicht oder nur unbefriedigend geklärt waren, und betrachtete sie im Licht modifizierter Raum- und Zeitskalen. Auf diese Weise gelang es ihm, auf nur 4 Seiten mathematische Beschreibungen für diverse Phänomene zu liefern, von denen jedes einzelne vorher mindestens 20 Seiten vertrackter mathematischer Modelle erfordert hatte. Seitdem wurden diverse, teilweise recht bizarre Vorhersagen der Relativitätstheorie im Experiment bestätigt. Studenten rund um die Welt stellen im Laborpraktikum das Michelson-Morley-Experiment nach und überzeugen sich mit eigenen Augen und Händen von der Invarianz der Lichtgeschwindigkeit. Die Relativitätstheorie ist nach üblichen menschlichen Begriffen unanschaulich und macht einem beim ersten (und häufig auch noch beim fünften) Nachdenken einen Knoten ins Hirn, aber sie hat die mathematischen Grundlagen der Physik tatsächlich in einem Maße vereinfacht wie noch keine Theorie vor ihr. Und bislang ist sie nicht widerlegt. Teil 2: Die Sache mit den addierten GeschwindigkeitenAlso schön: Du fliegst mit 99% der Lichtgeschwindigkeit in die eine Richtung, ich mit 99% in die entgegengesetzte Richtung. Aufaddiert entfernen wir uns dann mit einer Relativgeschwindigkeit von 198% c voneinander, also knapp mit doppelter Lichtgeschwindigkeit. Richtig? Leider nicht. Das wäre zwar nach der Newtonschen Mechanik richtig, aber die Relativitätstheorie sagt da was anderes. Schaun wir uns doch mal an, was. Zum besseren Verständnis suchen wir uns für unsere Flüge zunächst ein paar Fixpunkte im Raum. Angenommen, wir starten beide auf der Welt Aragorn. Du fliegst mit 0,99c nach Beragorn und ich nach Ceragorn. Diese drei Welten liegen bequemerweise genau auf einer Geraden, mit Aragorn in der Mitte, Beragorn und Ceragorn im Abstand von je 0,99 Lichtjahren in der einen bzw. anderen Richtung. Von Aragorn aus betrachtet brauchen wir also beide exakt ein Jahr, um unser jeweiliges Ziel zu erreichen. Was aber beobachtest du, sobald wir beide die Triebwerke zünden? Nun, zunächst einmal stellst du fest, dass Beragorn dir mit 0,99c entgegenkommt. Des weiteren stellst du fest, dass die Strecke von Aragorn nach Beragorn plötzlich auf ein Zehntel ihrer ursprünglichen Länge zusammenschrumpft (die von der Lorentz-Transformation vorhergesagte Längenkontraktion, vgl. Teil 1). Du kommst also schon nach einem zehntel Jahr am Ziel an. Bei mir hingegen beobachtest du zunächst einmal, dass auch meine Strecke - von Aragorn nach Ceragorn - auf ein Zehntel der ursprünglichen Länge zusammenschrumpft. Ceragorn fliegt jedoch mit 0,99c von mir weg. Ich selbst jage ihm zwar hinterher, hole aber nur quälend langsam auf - denn durch die aus der Lorentz-Transformation resultierende Zeitdilatation vergeht die Zeit im Bezugssystem der Strecke Aragorn-Ceragorn auch nur ein zehntel so schnell. Anstelle eines Jahres (wie es ein Beobachter auf Aragorn beziffern würde) brauche ich also sogar zehn, bis ich Ceragorn einhole! Rechnet man es konsequent durch (die genauen Formeln finden sich z.B. hier), dann stellst du fest, dass ich mich mit etwa 0,99994c von dir entferne. Das ist zwar schon verdammt schnell, aber immer noch eindeutig unterhalb der Lichtgeschwindigkeit - was nach der Lorentz-Transformation auch nicht anders herauskommen konnte. Es lässt sich mathematisch beweisen, dass relativistisch die "Summe" zweier Geschwindigkeiten, die beide unter der Lichtgeschwindigkeit liegen, ebenfalls immer unter der Lichtgeschwindigkeit liegen muss. Ein weiterer Effekt, den diese Rechnung vorhersagt, betrifft unsere Ankunftszeiten: Beragorn kommt mit 0,99c auf dich zugeflogen und passiert dich nach einem zehntel Jahr. Ceragorn fliegt mit derselben Geschwindigkeit von mir weg und ich erreiche es erst nach zehn Jahren. Somit bin ich also erst deutlich später auf Ceragorn als du auf Beragorn. Richtig? Ja, Moment! Aber wir sind doch gleichzeitig von Aragorn losgeflogen, fliegen die gleiche Strecke und sind gleich schnell. Also sind wir auch gleichzeitig da. Richtig? Richtig. Beides. Einen genaueren Blick auf dieses Dilemma werfen wir im nächsten Installment: Teil 3: Beziehungskrach bei Holmes und Watson oder: Der Verlust der absoluten Gleichzeitigkeit
Watson: "Also schön, Holmes. Soweit ich Sie
verstanden habe, ist es für Moriartys Plan für den
Überfall auf den Zug essentiell, dass seine Handlanger
gleichzeitig vorne an der Lok und hinten am Gepäckwagen
zuschlagen."
... und während Holmes, Watson und Moriarty dem unabänderlichen Ausgang ihres Handlungsstrangs entgegenfahren, bereiten wir uns geistig schon einmal auf Teil 4 unserer Serie vor: Teil 4: Zone 30(0000km/s) oder: Spontane Auferstehungen jenseits der LichtgeschwindigkeitSo, nun aber mal Butter bei die Fische: Was meint der Physiker eigentlich, wenn er sagt, "die Lichtgeschwindigkeit kann nicht überschritten werden"? Bei allen Beispielen, die wir in den bisherigen drei Teilen betrachtet haben, waren wir ja "brav" und haben uns immer nur angesehen, was passiert, solange wir unterhalb der Lichtgeschwindigkeit bleiben. Zeitdilatation und Längenkontraktion lassen schon ahnen, dass es nicht möglich wäre, die Lichtgeschwindigkeit auf "herkömmlichem" Wege zu überschreiten: Man beschleunigt und beschleunigt, aber von außen betrachtet nähert man sich der Lichtgeschwindigkeit nur immer weiter an, ohne sie jemals zu erreichen. Was aber, wenn man ein Schlupfloch fände, um die allmähliche Beschleunigung zu umgehen? Was ist mit Hyperraum? Sprungtoren? Umwandlung jedes Atoms von Schiff und Reisenden in ein korrespondierendes Tachyon? Einem instantanen "Quantensprung" von Unter- auf Überlichtgeschwindigkeit? Die Antwort des Physikers muss auch hier lauten: Das ist leider nicht möglich - oder aber, das Universum wäre ein extrem verkorkster Ort, an dem wir wirklich nicht leben wollen. Schaun wir uns doch einmal an, warum. Wir erinnern uns: Bei hohen Geschwindigkeiten unterhalb der Lichtgeschwindigkeit läuft die Zeit - von außen betrachtet - immer langsamer. So weit, so gut. Was passiert denn eigentlich, wenn man sich mit Überlichtgeschwindigkeit bewegt? Dann, so besagt die Relativitätstheorie, läuft die Zeit rückwärts. Nicht zwangsläufig von jedem Bezugssystem aus, aber wenn du in einem Überlichtraumschiff sitzt, kann ich immer ein Bezugssystem finden, von dem aus betrachtet die Zeit bei dir rückwärts läuft. Soll heißen: Wenn du an Bord deines Schiffs den grausamen Piraten Roberts erschießt, kann ich immer ein Bezugssystem finden, in dem dieser Vorgang rückwärts abläuft. Seine Leiche liegt am Boden; plötzlich schnellt er vom Boden hoch und von dem Schwung, mit dem sich die Moleküle seines zerfetzten Herzens zu einem lebenden Organ zusammensetzen, wird die darin steckende Kugel herausgedrückt und fliegt genau in den Lauf deiner Pistole, um sich dort sanft im Magazin niederzulassen. Und nein, das ist nicht nur, was ich sehe, weil irgendwie die Lichtimpulse in der falschen Reihenfolge bei mir ankommen. Das ist, was passiert. Ich könnte durch geeignete Manöver mit Über- und Unterlichtgeschwindigkeit erst mitansehen, wie du Roberts erschießt, das Ganze dann rückwärts laufen lassen, dein Schiff entern und verhindern, dass du jemals abdrückst. And that's it, folks. Gemäß der Relativitätstheorie hebelt jede überlichtschnelle Informationsübertragung die Kausalität aus. Das Ursache-Wirkung-Prinzip, der Grundpfeiler jeglicher Wissenschaft (und jeglichen gesunden Menschenverstandes) wird zu einem schlechten Witz. Dabei ist es irrelevant, ob man sich kontinuierlich überlichtschnell von A nach B bewegt oder mittels Sprungtor, Hyperraum oder ähnlichen Tricks die Strecke dazwischen einfach weglässt. Sobald man zwei Ereignisse hat, die nur durch eine überlichtschnelle Verbindung kausal verknüpft werden können, ist ihre Reihenfolge beliebig vertauschbar (siehe Teil 3) und es öffnen sich Tür und Tor für Zeitparadoxa. Natürlich steht es jedem frei, sich auf den Standpunkt zu stellen, auch die heilige Kuh der Kausalität sei Schlachtvieh und die Wissenschaftler sollen sich mit ihrem Dogma nicht so anstellen. Wer aber daran glaubt, dass jeder Wirkung stets eine Ursache vorangeht; und wer die Vorhersagen der Relativitätstheorie mit der Beobachtung vergleicht; und wer anhand dessen die Relativitätstheorie als "im Prinzip richtig" akzeptiert; der kommt nicht darum herum, sich damit abzufinden, dass die Lichtgeschwindigkeit eine absolute Grenze darstellt, die mit noch so viel Erkenntnis und noch so fortgeschrittener Technik nicht überschritten werden kann. Copyright (©) 2016 Markus Gerwinski |
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